Emil Kneiß

In den Ausgaben des Grafenauer Anzeigers für die Jahre 1928 bis 1937 finden sich viele Karikaturen ein und desselben Zeichners.

Emil Kneiß: Ein Leben von der Kaiserzeit bis zur Bundesrepublik

Meinen Nachforschungen über Emil Kneiß haben sich mittlerweile auf sozusagen sein ganzen Leben ausgedehnt. Was dabei so allmählich herauskommt, wird in einer Website seinen Niederschlag finden. Einstweilen soll davon hier eines der raren Bilder des Emil K. eingefügt werden. Es stammt aus Braunbecks Sportlexikon von 1912; Kneiß war damals höchstens 45 Jahre alt. (geb. 1867; gest. 1956)

Hier geht es zur Webseite www.der-buzi-maler.de

 

Intermezzo: “Der gerade Weg”

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Über “Bayerische Landesbibliothek online” kann man auch die Zeitschrift “Der gerade Weg” vom 1. Januar 1932 bis zum 8. März 1933 einsehen. Zuvor, von 1929 – 1931, hieß diese Zeitung noch “Illustrierter Sonntag: das Blatt des gesunden Menschenverstandes”. Chefredakteur war Dr. Fritz Gerlich, von 1920 bis 1928 noch Chefredakteur der “Münchner Neuesten Nachrichten”. Der “Illustrierte Sonntag” wurde auch im Buchgewerbehaus gedruckt; sein Inhalt war allerdings so, dass Hitler Anfang 1932 Adolf Müller, dem Eigentümer des Buchgewerbehauses, drohte, ihm den Druck des “Völkischen Beobachters” zu entziehen, wenn er nun den “Geraden Weg” drucken würde.
Mongolenblut
Dr. Fritz Gerlich versuchte gleichwohl, das für ihn offenkundige Unheil des Nationalsozialismus abzuwenden, etwa mit dem Artikel “Hat Hitler Mongolenblut?” Dass die Nazis ihm das nicht vergessen würden, war abzusehen. Am 9. März 1933 wurde er in seinen Redaktionsräumen von einem SA-Trupp misshandelt und anschließend in Schutzhaft genommen. Beim sogenannten Röhm-Putsch 1934 wurde er am 30. Juni ins KZ Dachau verschleppt und dort erschossen.

Emil Kneiß dürfte das sehr wohl erfahren haben.

Böse Ahnungen

Otto Morsak schrieb schon am 31. Januar 1933 im GA, welche Gefahr die Kanzlerschaft Hitlers mit sich bringen würde. Direkt unter der Schlagzeile: “Hitler zum Reichskanzler ernannt” stand diese Einschätzung:

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Emil Kneiß zeichnete im Februar seine letzte Karikatur zu einem innenpolitischen Thema: die Entsendung von Staatskommissaren zur Übernahme der Macht in den Ländern. Eine Türaufschrift “Bayern zug’sperrt” war leider vergeblich.

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Die letzte wirklich freie Wahl

Die Reichstagswahl vom 6. November 1932 war die letzte wirklich freie Wahl, aber sie brachte auch wieder keine brauchbaren Mehrheitsverhältnisse. Ein neues Präsidialkabinett, das erneut mit Notverordnungen regieren würde, war ein Ausweg. Dafür war aber die Zustimmung des Reichspräsidenten Hindenburg nötig. Emil Kneiß zeichnet im Januar 1933 Hindenburg als Zigarrenraucher, der die Sorten ‘Brüning’ und ‘Papen’ gerade durch die Sorte ‘Schleicher’ ersetzt. Und der Diener bringt bereits die nächsten Marken: ‘Hugenberg’, ‘Kaas’ und ‘Hitler’.

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Es ist das erste und das letzte(?) Mal, dass in den Karikaturen der Name “Hitler” genannt wird. Gezeichnet wird Hitler von E. Kneiß nie.

Kneiß und die extremen Parteien

Emil Kneiß zeichnet erst ab 1928 für den “Weißblauen Galgenhumor”. Neben Themen aus der Gesellschaft, bayerisch oder neumodisch, karikiert er die hohe Politik. Ein immer wiederkehrendes Thema ist der Kampf um die bedrohte bayerische Selbstständigkeit. (Siehe die Karikatur: “Die föderalistische Wurst”) Dabei werden die betreffenden Politiker wie etwa Dr. Stresemann, Brüning, von Papen, Schleicher, Dr. Held, Dr. Schäffer usw. erkennbar karikiert. Die extremen Parteien, aber auch die Sozialdemokraten werden stets durch typisierte Personen dargestellt. Vor der Reichstagswahl am 6. November 1932 zeichnete Kneiß am 29. Oktober 1932 je einen typisierten Nationalsozialisten, Kommunisten und Sozialisten.

Nazi, Sozi, Kommunist

Daneben aber wurden Alfred Hugenberg (Deutschnationale Volkspartei) und Ludwig Kaas (Zentrum) eindeutig erkennbar dargestellt.
Hugenberg und KaasSo genau Emil Kneiß sonst beobachtete: zumindest 1928 hatte er beim Hakenkreuz der Nazis noch nicht ganz den richtigen Dreh heraus!

Wahlvogel

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Wer ist bedrohlicher?

Dr. Conrad Adlmaier, Hauptschriftleiter im “Münchner Zeitungsblock”, ließ im Dezember 1932 eine Werbeanzeige in eigener Sache einschalten. Sie gibt genau wieder, mit welchem Ziel die Autoren ihre Artikel schrieben: Christliche Weltanschauung und vaterländische Gesinnung gegen den Bolschewismus energisch verteidigen. Der Nationalsozialismus wurde nicht als bedrohlich eingestuft, vielleicht deswegen, weil im Buchgewerbehaus auch Publikationen der Nazis (“Mein Kampf”, “Völkischer Beobachter”) gedruckt wurden?

Vorteile der Heimatzeitung

Diese Einstellung lässt sich auch aus den Karikaturen unseres Emil Kneiß erkennen.

Hunger wie im Russland Stalins?

Obwohl die Kommunisten 1932 weit weniger Stimmenanteil als die Nationalsozialisten hatten, fürchtete man eher, es könnte zu einer “Diktatur des Proletariats” kommen. Die Folgen der kommunistischen Herrschaft für die russische Bevölkerung waren allseits bekannt. Ob Emil Kneiß im Juli 1932 auch daran gedacht hat?

Die Kürzung der Renten

 

Menschenauflauf durch Kneiß-Karikatur

Die Karikatur “Die föderalistische Wurst” wurde auch im Grafenauer Anzeiger am 13. November abgedruckt. In München sorgten Reichskanzler von Papen und der bayerische Löwe für einen Menschenauflauf!

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Krise, “miese Zeit”: es war die Zeit der Weltwirtschaftskrise.

Münchner Zeitungsblock 1931 vaterländisch?

Dr. Conrad Adlmaier ist ab Mitte 1929 der Nachfolger von Klaus Eck als Hauptschriftleiter. Er kennzeichnet seine Kommentare zur Tagespolitik stets mit “Dr. A.”. Auch die Karikaturen des Emil Kneiß scheinen ihm sehr wichtig zu sein, denn mit gewissem Stolz wird am 10. November 1932 nach dieser Karikatur (vom 5. November) von einem Menschenauflauf berichtet, den sie verursacht hat.

v. Papen und der bayr. LöweEine “vaterländische Gesinnung”, Herr von Papen? Was ist des Bayern Vaterland?

 

Ein Nachwort

Kommentare von Redakteuren wurden im “Zeitungsblock” 1928 an keiner Stelle mit Namen oder einem Kürzel gekennzeichnet. Wenn die Seite “Dr. Stresemann in München” noch “Ein Nachwort” enthält, so dürfte letzteres doch von dem für Politik verantwortlichen Schriftleiter Klaus Eck stammen. Und ein Zitat hieraus zeigt, dass er ahnte, was fünf Jahre später Tatsache wurde.
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