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Ein sauberes Trio

Die weitere Suche nach Fritz Salzberger führte zu einem Artikel, der am 18. August 1989 in der “Zeit” erschienen war. Ausgehend von der endgültigen Aufarbeitung der berüchtigten Artikel im “Miesbacher Anzeiger” (Wilhelm Volkert, 1989) stand dort:

Weihnachten 1919 wird Thoma eine Wiedergutmachung zuteil: Er erhält das Band der Studentenverbindung Suevia zurück, das er fast 32 Jahre zuvor wegen Feigheit beim Fechten verloren hatte. Man nimmt ihn auf in das Tegernseer Honoratioren-Corps Visigothiae-Rostock, dessen Vorsitzender der Apotheker Fritz Salzberger ist. Durch ihn wird Thoma mit Klaus Eck, dem Redakteur des Miesbacher Anzeiger, bekannt. Die beiden verstehen sich auf Anhieb – und das Unheil kann seinen Lauf nehmen. Salzberger wird die Deckadresse für die 172 anonymen Beiträge sein und sie unauffällig an Eck weiterleiten. Als Honorar erhält der berühmte Mitarbeiter Importzigarren.

Beileid-DrHeldEmil Kneiß kannte wohl Thoma, Salzberger wie auch Eckart und wusste “um deren Zusammenarbeit”. Thoma war im August 1921, Eckart im Dezember 1923 gestorben. Vielleicht wollte Kneiß nun, im Juni 1929, ironisch nochmal daran erinnern. Denn zum Tode von Klaus Eck kam sogar vom Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Held (BVP) ein Beileidschreiben.

Und der Bericht über die Beerdigung Kaus Ecks zählt eine Unmenge von Personen auf, die ihm das letzte Geleit gaben. Er nennt dabei (mit einer Ausnahme) keinen Angehörigen der NSDAP. Und diese eine Ausnahme ist der nur als Kreisrat titulierte Hermann Esser, der seine Worte am Grab “mit dem Bedauern” (begann), “daß Klaus Eck zwar nicht zu den Ihren gehört habe, und erinnerte dann im Namen Hitlers an die frühere gemeinsame Kampffront in den Zeiten der vaterländischen Not.”

 

Gedicht zum Empfang im Himmel

Gedicht-Eck-im-Himmel Das Gedicht unter der Karikatur kann hoffentlich (fast) jeder lesen. Es enthält zwei wichtige Stellen:
1. “Und Samstag hab’n mir g’lacht im Chor /  Über den weiß-blauen Galg’nhumor.”
2. Der Salzberger: “Ja, grüaß di’, Eck, / Bist du denn aa scho’ auf’m Weg,”

Damit steht wohl Klaus Eck als Ideengeber und Begründer des “Weißblauen Galgenhumors” fest. Und der stämmige, idealtypische Bayer dürfte ein gewisser Salzberger sein. Doch da hat gleich Google geholfen: mit “Salzberger + Thoma”. Die Website der “Alten Stadtapotheke Miesbach” beschreibt den Apotheker Fritz Salzberger (gestorben 1925) so:

Er traf sich oft mit seinen Freunden Ludwig Thoma, Dietrich Eckart und Klaus Eck.
Dieser bärenstarke Mann ist wirklich wie ein Baum gewesen, breit und hoch, schwarz und stämmig; in Südtirol, wo er so gerne weilte, haben sie geglaubt, der Andreas Hofer sei leibhaftig aufgestanden, nur noch wuchtiger und größer

Und jetzt steht plötzlich wieder jener Dietrich Eckart (gest. 23. Dezember 1923) im Raum.

 

Fürstenfeldbrucker Zeitung 3. Juni 1929

Über die Seite “Bayerische Landesbibliothek online” war ich zur Fürstenfeldbrucker Zeitung gekommen, auf deren Kopf ich für Januar 1928 als Herausgeber und verantwortlichen Schriftleiter Klaus Eck fand. Im August 1929 war aber im Kopf zu lesen: “Mitbegründer: Klaus Eck, Hauptschriftleiter Dr. Conrad Adlmaier”. Da ich von Klaus Eck bereits das Todesjahr 1929 wusste, begann ich diese 949 Seiten (von Januar bis August 1929) mit dem Verfahren der Intervallhalbierung durchzusehen, um das erstmalige Auftreten des Dr. Adlmaier zu finden. Von dort ging es Seite für Seite weiter: bis zu d-e-r Karikatur! “Wia da Klaus Eck im Himmel empfangen werd”, von niemand anderem als Emil Kneiß gezeichnet.

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Ganz links: Klaus Eck. Am Tisch mit Pfeife: unverkennbar Ludwig Thoma (Gest. 1921). Und die beiden anderen Herren? (wobei Petrus = Petrus ist?)

 

Der Münchner Zeitungsblock

Aber wie kam Emil Kneiß zu diesen Zeitungen, die ja auch im Buchgewerbehaus gedruckt wurden? Ab den frühen 20er-Jahren schlossen sich mehrere lokale Zeitungen Oberbayerns zu einem “Bayerischen Zeitungsblock” zusammen. Sie erschienen dann als sogenannte Kopfblätter, d.h. der überregionale Teil war allen gemeinsam und stammte von einer Redaktion, die im Buchgewerbehaus untergebracht war. Der Lokalteil wurde vor Ort erstellt. Wer für diesen Zusammenschluss die treibenden Kräfte waren, ist, wie es scheint, noch nicht untersucht worden. Ein Hinweis mag sein, dass im Kopf der “Fürstenfeldbrucker Zeitung” am 1. Januar 1928 (5. Jahrgang!) als Herausgeber und verantwortlicher Schriftleiter für Politik ein Klaus Eck aufscheint. Dieser Klaus Eck war es, der 1920 als Redakteur des “Miesbacher Anzeigers” Ludwig Thoma Gelegenheit gab, unter einem lange nicht aufgedeckten Pseudonym Hasstiraden gegen Juden und die Spitzen der Reichsregierung zu veröffentlichen. Klaus Eck schied 1922 als Redakteur des Miesbacher Anzeigers aus.
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Einen weiteren Hinweis habe ich auf der Website theodor-frey.de gefunden. Frey schreibt bezüglich der Schellingstr. 41:

Ernst Hanfstaengl gab im August 1923 ein Darlehen für den Kauf einer amerikanischen Rotationsmaschine, die im amerikanischen Großformat druckte und in der Druckerei Müller & Sohn, Schellingstraße 41 zum Einsatz kam.

Zur Erinnerung: Ernst Hanfstaengl gehörte zu den frühen Förderern Adolf Hitlers; unmittelbar nach dem gescheiterten Putschversuch 1923 verbarg sich Hitler im Landhaus Hanfstaengls in Uffing am Staffelsee.

Kreuzung Barer-Schellingstraße

In meinem Gedächtnis tauchte nun auf, dass in diesem Buchgewerbehaus der “Völkische Beobachter” und auch “Mein Kampf” gedruckt worden waren. Die Suche nach diesen Begriffen förderte zutage, dass in dieser Gegend, eben an der Kreuzung Barer-Schellingstraße, die NSDAP ihre ersten verderblichen Blüten getrieben hatte. Dietrich Eckart, Hitlers Mentor und zweitweise Chefredakteur des “Völkischen Beobachters”, stellte Adolf Müller schon 1920 Hitler vor. Der Franz-Eher Verlag, seit 1920 im Alleineigentum der NSDAP, konnte darum im Buchgewerbehaus alle seine Zeitungen, Zeitschriften und Bücher drucken. Adolf Müller war auch eng befreundet mit dem Fotografen Hitlers, Heinrich Hoffmann, der gegenüber in der Schellingstr. 50 (Rückgebäude) sein Atelier hatte.

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In diesem Rückgebäude befand sich von 1925 bis 1931 die Geschäftsstelle der NSDAP. Ist davon dieser Adler noch ein stummer Zeuge?

 

25. Januar 1934

Wer genau hinsah (oder schon Bescheid wusste), konnte am 25. Januar eine kleine Veränderung entdecken:

"Redaktion" ist unkenntlich gemacht!

Aber wer hatte nun die Redaktion?

Neu war bei den Anzeigen, dass nun ausdrücklich für Inserate im Grafenauer Anzeiger und im Tittlinger Waldboten geworben wurde.

Das ist eine fatale Sache (wenn man nicht inseriert)

21. Januar 1934

Am Sonntag, den 21. Januar 1934 fand man zwar erneut eine Anzeige der Buchhaltungsorganisation Paul Hopf und Dr. Wetzstein. Auch Klein-Schreibmaschinen wurde von ihr angeboten.

Anzeige der TreuhandAnzeige: Kleinschreibmaschine

 

 

 

Im Kopf der Zeitung hatte sich aber nichts erneut verändert.

Redaktion, Druck und Verlag: Otto Morsak in Grafenau

Münchner Buchgewerbehaus

Das “Münchner Buchgewerbehaus” war mir aus der Studentenzeit noch in Erinnerung: bei den Studentenunruhen 1968 kamen bei Demonstrationen vor diesem Haus (denn dort wurde die BILD-Zeitung gedruckt) sogar zwei Menschen ums Leben.
Wikipedia wusste für die Zeit vor dem 2. Weltkrieg Bescheid: Adolf Müller und sein Vater Michael gründeten 1914 (zusammen mit einem Otto Königer) die Druckerei “Münchner Buchgewerbehaus”. Für erste war nun klar, dass der “Rechnungsrat” auf der köstlichen Karikatur von 1929 den Kalender aus eben dieser Firma M. Müller & Sohn abriss.

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Woher kommt die Seite “Weißblauer Galgenhumor”?

Neben der Suche nach der Identität des Karikaturisten stand auch immer die Frage, woher Otto Morsak die Seite “Weißblauer Galgenhumor” erhielt; schon ihr kleineres Format verriet, dass sie mit Sicherheit nicht in Grafenau erstellt wurde. Und wieder war zunächst “Googeln” angesagt.

Als erstes wurde bei Amazon ein Buch “Weißblauer Galgenhumor” angeboten: Autor war ein Karl Riedelsheimer. Der Umschlag verriet, dass die Karikaturen von Emil Kneiß sich darin wiederfinden würden, aber auch die unzähligen Späße und Anekdoten auf den Seiten des “Galgenhumors”. Aus diesem Buch zitierte die nächste Google-Fundstelle: der AK Heimatgeschichte Mitterfels.

Arbeitskreis Heimatgeschichte Mitterfels

Die Geschichte von den “mutigen Redakteuren” stimmt wohl nicht, denn da die Originalversion ja lautet: “Und wenn in der Tschechei auch 15 Parteien aufmarschieren, wie bei uns, dann …”, dann ist es unwahrscheinlich, dass diese Anekdote nach Januar 1933 unter “Weißblauer Galgenhumor” zu finden war.

Am Jahresbeginn 1934

Ob es allen Beziehern der Zeitung aufgefallen ist, dass sich der Kopf des Grafenauer Anzeigers verändert hatte?

Grafenauer Anzeiger vom 3. Januar 1934

Der Grafenauer Anzeiger besaß nur noch “Druck und Verlag des Bezirksamtsblattes”! Die Erfahrung der kommenden Monate lehrte aber, dass es allenfalls Bekanntmachungen der Stadtverwaltung, aber regelmäßig “Mitteilungen der NSDAP-Bewegung” gab!

Vielleicht empfand man es eher seltsam, dass in derselben Nummer eine Treuhandgesellschaft aus Regensburg und Landshut neuerdings ihre Dienste für eine Fernbuchhaltung anbot. (In Grafenau hatte sie zu dieser Zeit noch keine Adresse, sondern nur ein (Post-)Schließfach.)

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